Was vom Ganzen übrig bleibt – der GEMÜSE-KOSMOS

 

Der Gemüse-Kosmos
Der Gemüse-Kosmos
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© Bernard Langerock, Düsseldorf, 2022

Eine Zeit lang hat der Düsseldorfer Fotograf Bernard Langerock Tag für Tag den Inhalt der Kompostschüssel
seines Zweipersonenhaushalts fotografisch dokumentiert – herausgekommen ist dabei eine farben- und formenreiche Fotoserie, die auf humorvolle Weise einlädt, beim Betrachten der Bilder zu verweilen und sich näher damit zu beschäftigen.

Jede einzelne Aufnahme zeigt pflanzliche Verarbeitungsreste, wie sie beim Vorbereiten und Kochen einer Mahlzeit entstehen, mehr oder weniger zufällig in der Kompostschüssel gesammelt und arrangiert. Zusammen wirken die Fotografien der Serie wie ein Küchenbilderlexikon saisonaler Gemüse- und Obstsorten, allerdings nicht in Form des ursprünglich Ausgewählten, sondern in der des Übriggebliebenen. Sie geben Hinweise auf die Tätigkeiten des Kochenden und lassen der Fantasie des Betrachters freien Lauf, welches Gericht dort wohl entstanden sein mag.

Gleichzeitig rufen die fotografierten Inhalte der Kompostschüssel nach Sinnübertragung, nach Decodierung. Die Ästhetik des nicht Verwendeten, von dem wir wissen, dass es bald welken und zu Kompost wird, spricht für sich. Die Fotografie verhindert gleichsam diesen Umwandlungsprozess und hält den Moment der Frische auf Dauer fest, zumindest aber so lange, wie das Foto existiert.

Die Bilder stellen auch einen Prozess des Chiffrierens dar, des gleichzeitig Offenbarens und Verbergens. Das Auge nimmt über die Details die Bedeutung des Ganzen wahr. Das, was nicht sichtbar ist, wird im Kopf des Betrachters zu etwas Vollständigem und – wer weiß – durch Mutmaßungen zu einer gelungenen Mahlzeit, einem kulinarischen Fest.

Der transitive Charakter des Dargestellten, der Obst- und Gemüseabfälle, und die daraus entstehenden seltsamen neuen Bilder, wirken visionär – wie eine Blume, ein Tier, ein Gesicht, eine Landschaft, eine Gewebestruktur, eine Farbpalette.
Das Spiel zwischen Einbildungskraft und Wissen des Betrachters und der tatsächlichen Erfahrung im Umgang mit dem „Gemüse-Kosmos“ beginnt. Es ist ein Akt des Erkennens und des Spekulierens mit Vorstellungen, welche sich in erneuerender Sinnlichkeit im Kopf manifestieren.

Text Bernard und Ulrike Langerock

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